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04. Juni 2021

Jahresrechnung 2020 der Stadt Adliswil: Erstes Defizit seit langem

Die Jahresrechnung 2020 der Stadt Adliswil weist bei einem Aufwand von 132.4 Mio. Franken und einem Ertrag von 125.7 Mio.
Franken einen Aufwandüberschuss von 6.7 Mio. Franken aus.

Im Namen der FDP-EVP-Fraktion kommentierte Mario Senn die Jahresrechnung 2020 anlässlich der Ratssitzung vom 2. Juni 2021 wie folgt (es gilt das gesprochene Wort):


"Nach 13 positiven Jahresrechnungen schliesst die Rechnung 2020 zum ersten Mal seit langem mit einem Verlust ab. Verantwortlich dafür sind insbesondere ausbleibende Steuererträge von juristischen Personen. Auch wenn es sich dabei vor allem um ausbleibende Steuerausscheidungen aufgrund einer gewissen «Abrechnungswillkür» des kantonalen Steueramts handelt, zeigt sich eindrücklich, was Adliswil drohen kann, wenn Unternehmenssteuererträge nachhaltig ausbleiben.

Gleichzeitig ruft uns das Jahresergebnis eine unangenehme Wahrheit in Erinnerung: Die Steuerkraft der natürlichen Personen in Adliswil ist unterdurchschnittlich gering. Im Prinzip heisst das, dass die Adliswilerinnen und Adliswiler eine zu geringe Steuerkraft aufweisen, um die Kosten für alle städtischen Dienstleistungen und Investitionen zu tragen. Das ging immer ein wenig vergessen, weil diese unterdurchschnittliche Steuerkraft durch die starken Unternehmenssteuereinnahmen überdeckt wurden. Hätten wir keine Unternehmenssteuern, müssten wir den Steuerfuss um 15 bis 20 Prozentpunkte anheben.

Wie Sie wissen, ist es nicht gesagt, dass sich die Unternehmenssteuereinnahmen in absehbarer Zeit wieder auf das Niveau von vor 2020 erholen werden. Zum einen wird Swiss Re weitere Firmenbestandteile aus Adliswil abziehen, zum anderen werden auch die anderen grossen Unternehmenssteuerzahler noch einige Jahre am schlechten Corona-Jahr zu beissen haben. Adliswil ging es sehr gut in den letzten Jahren. 2020 hat nun aber eindrücklich gezeigt, dass auch bei uns die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Für uns bedeutet es aber, dass wir bei der Stadtentwicklung aufpassen müssen. Vor allem grössere Neubauprojekte müssen sich daran messen lassen, ob die Steuerkraft der neu zuziehenden Personen die entstehenden Kosten nachhaltig zu tragen vermag.

Für die FDP-EVP-Fraktion ist auf jeden Fall auch keine tolle Zukunftsaussicht, sich für die nächsten Jahre einfach darauf zu verlassen, dass wir Geld aus dem Finanzausgleich erhalten. Im Gegenteil: Es sollte unser Anspruch sein, dass wir unsere Kosten selber tragen und nicht von anderen Gemeinden profitieren müssen! Das zur Ertragsseite.

Auf der Aufwandsseite fällt die hohe Budgetdisziplin des Stadtrats auf. Das loben wir ausdrücklich. Uns ist deshalb auch klar, dass man vom Stadtrat nicht einfach fordern kann, er solle noch etwas mehr sparen. Klar, etwas Luft hat es immer drin. Aber einen grossen Effekt auf der Aufwandsseite hat man nur, wenn man Leistungen ganz streicht. Und selbstverständlich verträgt es sich nicht, dass man wie in einem Shoppingrausch zusätzliche Ausgaben beschliesst. Für all die teuren Sonderwünsche wie zusätzliche Buslinien, Stadtsaal oder GZ gibt es schlicht und einfach keinen Spielraum.

Noch unklar ist der Effekt der Covid-19-Pandemie. Dass wir ihn auf Gemeindeebene im Jahr 2020 nur teilweise spüren konnten, wundert mich an sich nicht. Denn die automatischen Stabilisatoren wie Arbeitslosen- und Kurzarbeitsentschädigungen finanzieren sich über den ALV-Fonds und die Härtefallunterstützungen werden durch Bund und Kanton gemeinsam finanziert.

Bei der Investitionsrechnung stellen wir fest, dass auch 2020 mit 51 Mio. Franken sehr stark investiert wurde. Darunter hat es wichtige Bauten wie das Parkhaus und den Busbahnhof, das Stadthaus, das Hallenbad oder die Schulhäuser Dietlimoos und Sonnenberg. Es freut uns grundsätzlich, dass so stark investiert wird. Wir wissen aber auch, dass das ein erheblicher Treiber für die Verschuldung ist, die nun über 3 100 Franken pro Kopf beträgt.

Damit komme ich zur Bilanz und zum Haushaltsgleichgewicht. Gemäss den Ausführungen zum Haushaltsgleichgewicht auf Seite 7 sieht es in den nächsten Jahren ja ganz ok aus. Nur fiel beim Finanzplan 2020-2024 auf, dass diverse Investitionen nach hinten geschoben wurden. Ob das so bleibt, werden wir beim Finanzplan 2021-2025 sehen. Aber der gute Rechnungsabschluss 2017 wird dann ausser Betrachtung fallen und gleichzeitig kommen Investitionen dazu. Der finanzielle Spielraum wird sich spürbar verengen.

Der Stadtrat beantragt uns die Einlage in die finanzpolitische Reserve von 4.5 Mio. Franken. Dies ergibt aus unserer Sicht Sinn. Vor allem aber hat es in Adliswil eine gewisse Tradition Mittel zur Seite zu legen. Noch unter HRM 1 haben wir über 40 Mio. Franken ausserordentlich abgeschrieben und damit die nachfolgenden Rechnungen entlastet. Seit HRM 2 hätten wir, wenn wir den Anträgen von RPK und Stadtrat zustimmen, nun weitere 9 Mio. Franken in die finanzpolitische Reserve eingelegt. Die Aussage, Adliswil hätte in den Jahren mit hohen Steuereinnahmen finanzpolitisch sorglos gehandelt und lediglich die Steuern gesenkt, kann so definitiv widerlegt werden.


Wichtig ist, was wir nun mit dieser Ausgangslage machen. Wie dargelegt, müssen wir sicherstellen, dass die Steuerkraft in Adliswil wieder steigt. Dazu braucht es ein genaues Hinschauen bei Neubauprojekten und Massnahmen zu Erhöhung der Standortattraktivität, wie sie dieser Rat mit der Überweisung meines Vorstosses für eine Wirtschaftsstrategie gefordert hat. Weiter braucht es weiterhin eine strenge Budgetdisziplin, damit die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen – beim Stadtrat, aber auch bei uns. Nur so ist sichergestellt, dass die Stadt Adliswil nachhaltig finanziert ist. Und dass wir – bevor dann die Zinsen irgendwann wieder steigen werden – auch die Schulden wieder zurückzahlen können."